Fallzahlen, die

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Seit Einführung des DRG (Diagnoses Related Groups)-Systems in den Spitälern in der Schweiz beschäftigen mich die Fallzahlen. 2012 wurden die Fallkostenpauschalen in der gesamten Schweiz zum Standard. Die Swiss DRG AG wies immer wieder darauf hin, dass es in Deutschland schon länger die Abrechnung nach DRG gebe und es darum kein besonders hohes Risiko darstelle, diese auch in der Schweizer Spitälern zu implementieren. Es war der Auftakt zur Ökonomisierung der Medizin. Und wie das nun so ist: eingeführt wird, abgeschafft nie.

Während sich neue Berufe entwickeln wie Codiererin und Decodierer, die zwar die Kosten in der Administration steigen lassen, direkt am Patienten aber nichts zu tun haben, werden händeringend medizinische Fachkräfte gesucht. Was, wenn es zwischen dem Fachkräftemangel und der Einführung der DRG einen Zusammenhang gäbe? Es mag ja erklärbar sein, dass es für spezialisierte Eingriffe Erfahrung und damit eine angemessene Anzahl gleichartiger Operation braucht. Für die Qualität ist eine bestimmt Fallzahl nötig. Wenn nun aber die Spitallisten nach Fallzahlen erstellt und damit Entschädigungen garantiert werden, gibt es einen „Bias“. Wie soll ich nun als Patientin je erfahren, ob ich nun genau die bin, die die Orthopädieabteilung mit meiner an sich unnötigen Knieoperation erhalte? Oder war sie wirklich medizinisch angezeigt?

Da die stationären Kosten nach oben und nicht nach unten gingen, wurden gewisse Behandlungen staatlich als „ambulant“ deklariert. Damit entlasten sich die Kantone und belasten damit das bereits jetzt teilweise überforderte ambulante System, das sich seit Jahren in Tarifdiskussionen befindet.

Wenn wir schon nach Deutschland schauen: aktuell ruft der Gesundheitsminister die Ärzte zurück. Es herrscht prekärer Pflegenotstand. Es werden Patienten operiert, die es nicht brauchen. Siehe dazu diesen Bericht https://presse.wdr.de/plounge/tv/das_erste/2017/06/20170619_operieren_und_kassieren.html

In der Schweiz hat die FMH hat ziel- bzw. mengenbezogene Boni für Spitalärztinnen in einem Positionspapier https://www.fmh.ch/files/pdf14/Boni_-_die_Position_der_FMH_SAEZ_2013_51-522.pdf bereits 2013 kritisch thematisiert. Noch ist dies in vielen Kantonen nicht in die Anforderungen für die Spitalliste eingeflossen.

Es bleibt noch viel zu tun.

 

Wieso Geschichte wichtig ist

Ursprünglich waren die Fallkostenpauschalen der Spitäler etwas ganz Anderes:

DRG wurden in den USA an der Yale-Universität von Robert Barclay Fetter und John Devereaux Thompson ab 1967 entwickelt. Sie wurden ursprünglich allerdings nicht als Vergütungssystem entwickelt, sondern als ein reines Patientenklassifikationssystem, das als Managementwerkzeug die Messung, Evaluierung und Steuerung der Behandlungen im Krankenhaus ermöglichen sollte.

Die heute verwendeten und entwickelten Lösungen wurden beispielsweise ab 1983 erstmals als prospektives Vergütungssystem und zur Erfassung der beanspruchten Vergütung im Medicare-Programm der USA eingesetzt (Accounting). In Australien wurde die erste Version 1992 im Bundesstaat Victoria freigegeben. Diese Fassung diente als Referenz für die Implementierung einer gleichartigen Lösung in Deutschland.

DRG dienten in den USA zunächst zur Klassifikation medizinisch ähnlicher Patientenkollektive, erst später wurden daraus Entgeltsysteme durch Hinterlegung mit der Bewertung des Schweregrades der Behandlung und dem Bezug auf die typischen Kosten. Es kam dadurch zur Verschiebung von Anteilen stationärer Leistungen zu ambulanten Leistungen. Die amerikanischen DRG der Health Care Financing Administration (HCFA) werden in voller Breite nur für die Bevölkerung über 65 Jahre, die durch das staatliche Medicare-Programm versichert ist, angewendet.

Das Konzept der DRG wurde ursprünglich von Fetter und Thompson ab 1967 auch zur Steuerung klinischer Dienste und zur Messung der Leistung und der Qualität der medizinischen Leistung entworfen. Der anfangs enthaltene Steuerungsaspekt (Scheduling) ist in allen heute international bekannten Lösungen verloren gegangen.

(aus Wikipedia)

Ein Blick zurück mit der Frage: Was hätte es werden sollen und was ist daraus geworden? würde nicht schaden. Eigentlich waren die DRG als Patientengruppen gedacht, denn nur, wenn man Gruppen medizinisch erkennt und erfasst, kann man die Qualität verbessern.